„Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat“ – Ausstellung öffnet ihre Tore in der Gedenkstätte Esterwegen
Gedenkstätte Esterwegen, Landespolizeipräsidium Niedersachsen und Polizeiakademie Niedersachsen setzten mit Ausstellung Zeichen der Demokratiearbeit. Die Niedersächsische Landtagspräsidentin Hanna Naber drückte mit Vortrag ihre Unterstützung aus
Am Dienstag, den 20. August 2024 wurde die Ausstellung „Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat“ in der Gedenkstätte Esterwegen feierlich eröffnet. Die Ausstellung stellt einen grundlegenden Bestandteil des 2021 geschlossenen Kooperationsvertrages zwischen der Polizei Niedersachsen und der Gedenkstätte Esterwegen dar. Die Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte ist zugleich ein bedeutender Baustein der vielfältigen Demokratiearbeit innerhalb der Polizei in Niedersachsen.
Die kostenfrei zugängliche Ausstellung, die mehrere Jahre in der Gedenkstätte zu sehen sein wird, zeigt den Weg einer reformfreudigen demokratischen Polizei in der Weimarer Republik hin zum Machtinstrument der Nationalsozialisten. Sie thematisiert die Rolle der Polizei als ausführendes Organ des nationalsozialistischen Terrors, ihre Beteiligung bei Verfolgungen und Deportationen, die Verbrechen von Polizeieinheiten während des Krieges und die Nachkriegskarrieren ehemaliger NS-Polizisten. Für die Präsentation in der Gedenkstätte wurde die Ausstellung um neue Teile ergänzt, die die vielfältigen Verbindungen zwischen der Polizei und den Emslandlagern beleuchten.
Landrat Marc-André Burgdorf, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen, und Landespolizeipräsident Axel Brockmann verdeutlichten in ihren Begrüßungsreden den hohen Stellenwert, den der Zusammenarbeit zwischen der Gedenkstätte und der Polizei Niedersachsen beigemessen wird.
Burgdorf betonte: „Die wissenschaftlich fundierte und offene Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte schärft den Blick der Polizei für Herausforderungen der Gegenwart. Aus der engen Kooperation mit der Gedenkstätte Esterwegen erwächst aber nicht nur ein Erkenntnisgewinn für die Polizei, sondern auch für die Arbeit und Forschung der Gedenkstätte“.
Landespolizeipräsident Brockmann unterstrich: „An die NS-Verbrechen der Polizei zu erinnern, ist eine Frage des Respekts gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Angehörigen. An die NS-Verbrechen der Polizei zu erinnern, ist zugleich wesentlicher Teil unseres demokratischen Selbstverständnisses.“ Er bezeichnete Gedenkstätten als unverzichtbare Partnerinnen: „Sie bieten (…) Raum und fachliche Begleitung, die Geschichte aufzuarbeiten und Lehren für das eigene Handeln in Gegenwart und Zukunft zu ziehen.“
Besondere Worte richteten Burgdorf und Brockmann an den anwesenden Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg. Weinberg wurde 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, später in die Konzentrationslager Mittelbau-Dora und Bergen- Belsen. Der fast hundertjährige Weinberg setzt sich gegen das Vergessen ein, indem er unter anderen an Schulen jungen Menschen aus seinem Leben erzählt. Für sein Engagement erhielt er 2017 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Ebenfalls anwesend war Michael Kroes, dessen Vater Heinrich Kroes von 1935 bis 1936 als Häftling im Konzentrationslager Esterwegen lebte. Landespolizeipräsident Brockmann bedankte sich für ihre Anwesenheit und die damit zum Ausdruck kommende Unterstützung für die Kooperation zwischen Gedenkstätte und Polizei.
Als Ehrengast konnte die Präsidentin des Niedersächsischen Landtages, Frau Hanna Naber, gewonnen werden. Frau Naber bereicherte mit einfühlsamen Worten die Auftaktveranstaltung: „Es erfüllt mich mit Stolz, auf unsere heutige niedersächsische Polizei zu blicken, die nicht nur hinter der Demokratie steht, sondern ihre Werte aktiv und wehrhaft vertritt. Die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte in der NS-Zeit ist hierbei ein wichtiger Schritt, um die Rolle der Polizei im demokratischen Rechtsstaat sensibel und selbstkritisch wahrzunehmen. Nur so kann die Polizei ihre anspruchsvolle Aufgabe, die Freiheits- und Bürgerrechte zu schützen und zum inneren sowie gesellschaftlichen Frieden beizutragen, in ihrem alltäglichen Handeln bewältigen.“
Wie ambitioniert die Demokratiearbeit in der Polizei Niedersachsen ist, verdeutlichte der gemeinsame Beitrag von Dr. Dirk Götting, Leiter der Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte an der Polizeiakademie Niedersachsen, und zwei Studierenden der Polizeiakademie, Alexandra Röhrig und Marcello Totzek. Dr. Götting skizzierte die Idee und die vielfältigen Aktivitäten der 2019 gegründeten Initiative „Polizeischutz für die Demokratie“. Die Initiative ist innerhalb der Polizei Niedersachsen wesentliche Triebfeder der freiwilligen Demokratiearbeit und der damit verbundenen Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren. Die Studierenden Röhrig und Totzek wiederum zeigten auf, welch hohe Relevanz der Polizeigeschichte schon im Polizeistudium beigemessen wird. In einem emotionalen Erlebnisbericht schilderten sie die Eindrücke, die sie auf Studienfahrten zur Gedenkstätte Yad Vashem in Israel 2023 und an Orte polizeilicher NS-Verbrechen in Polen 2024 sammeln konnten.
Zahlreiche Gäste aus Polizei, Zivilgesellschaft und Politik konnten zur Eröffnung begrüßt werden. Ein Ensemble des Polizeiorchesters Niedersachsen sorgte für passende Begleitung der Ausstellungseröffnung. Zum Abschluss sang Polizeikommissar Marvin Schories das von Polizeihauptkommissar Thomas Eickhoff komponierte Lied „Mensch ist Mensch“. Eickhoff und Schories engagieren sich ebenfalls in der Initiative „Polizeischutz für die Demokratie“. Das selbstkomponierte Lied verdeutlicht, welch vielfältige Ausdrucksformen die freiwillige Demokratiearbeit in der niedersächsischen Polizei hat.
Info zur Ausstellung in Esterwegen
Der Kern der Ausstellung wurde 2011 von der Deutschen Hochschule für Polizei und dem Historischen Museum Berlin entwickelt. Das Polizeimuseum der Polizeiakademie Niedersachsen (heute Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte) erweiterte sie 2012 um eine niedersächsische Perspektive. Im Ausstellungsort Esterwegen wird sie durch einen von der Gedenkstätte erarbeiten Ausstellungsteil, der die Verbindungen zwischen der Polizei und den Konzentrations- und Strafgefangenenlagern im Emsland in der Zeit des Nationalsozialismus offenlegt, ergänzt. Polizisten waren bei der Verhaftung und Einweisung von Oppositionellen in den Emslandlagern zuständig oder wurden zeitweise als Bewachung in den Lagern eingesetzt. Einige Polizisten waren auch selbst von der Verfolgung durch die Nationalsozialisten betroffen und wurden beispielsweise im Strafgefangenenlager Esterwegen inhaftiert. Seit 2012 wanderte die Ausstellung „Ordnung und Vernichtung“ durch Niedersachsen und hat jetzt eine dauerhafte Bleibe in der Gedenkstätten Esterwegen gefunden. Es werden spezielle Führungen und Vermittlungsformate für Schulklassen und andere Gruppen angeboten. Die Ausstellung ist für die Öffentlichkeit ab dem 21. August 2024 zugänglich. Der Eintritt ist frei. |