Als ein Jurist Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Nazis vorging – Filmvorführung und Diskussion mit Studierenden der Polizeiakademie Niedersachsen
Im Capitol Kino in Hann. Münden fand eine Veranstaltungsreihe des Projekts Polizeischutz für die Demokratie statt. Im Mittelpunkt stand der Film „Fritz Bauers Erbe“, die Rolle der Polizei im Nazi-Regime und die daraus resultierende heutige Verantwortung
Hann. Münden - Die Nürnberger Prozesse waren lange vorbei, die Hauptkriegsverbrecher verurteilt und in Deutschland herrschte eine Schlussstrich-Mentalität. Nicht so bei dem Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Sein Engagement gipfelte schließlich in die Frankfurter Auschwitzprozesse (1963–1981).
Mit diesem Mann und seinem Einsatz für Gerechtigkeit setzten sich am 15. und 16. Mai im Capitol Kino in Hann. Münden Studierende der Polizeiakademie Niedersachsen (PA NI) auseinander. Dafür wurde der Film „Fritz Bauers Erbe“ gezeigt, der die Frage beleuchtet, warum eine Verfolgung der nationalsozialistischen Gräueltaten erst so spät stattfand und warum eine juristische Aufarbeitung trotz des hohen Alters der Angeklagten wichtig ist.
Im Anschluss der insgesamt vier Vorführungen fanden Vorträge zu wechselnden Themen statt. Jeder bezog sich auf aktuelle Ereignisse sowie Entwicklungen und verdeutlichte, dass „Nie wieder“ keine leere Floskel ist. Michael Schmelkus von der Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte der PA NI präsentierte als Speaker das Thema „Verschwörungsideologien als Gefahr“ und der Völkerrechtler Prof. Dr. Manuel Brunner bezog zur Frage „Wo bleibt das Recht im Krieg?“ Stellung. Dr. Dirk Götting, Leiter der Forschungsstelle für Polizei und Demokratiegeschichte, hat sich hingegen mit dem Thema „Rechte Gewalt gegen politisch Andersdenkende“ und der Rolle der Polizei damals und heute beschäftigt.
Auch Personen aus der Zivilgesellschaft nahmen an der Veranstaltungsreihe teil, sodass im Rahmen der abschließenden Podiumsgespräche ein lebendiger Austausch mit verschiedenen Perspektiven stattfand. Insgesamt nahmen 440 Personen an der Veranstaltungsreihe des Projekts Polizeischutz für die Demokratie der Polizei Niedersachsen teil.
Warum dieser Film und die juristische Aufarbeitung für die PA NI und die zukünftigen Polizistinnen und Polizisten von großer Bedeutung ist, liegt in der Vergangenheit der Polizei selbst und zum anderen in der daraus resultierenden Verantwortung, die bereits die Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärter tragen und sich bewusst sein müssen. Die Polizei spielte im Rahmen des Nationalsozialismus eine tragende Rolle. Zudem wurden viele Polizisten auch nach dem Krieg weiter im Polizeidienst, oft in führenden Funktionen, wiedereingesetzt. Deshalb trägt die Polizei heute eine große gesellschaftliche Verantwortung.
Oberstaatsanwalt Dr. Jens Lehmann und Polizeihauptkommissar Gerrit Racky sind der Frage der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Bezug auf den Täterbegriff nachgegangen. Geleitet und organisiert wurde die Veranstaltung durch Polizeikommissar Marvin Schories von der Polizeiinspektion Heidekreis, der seit seinem Studium an der PA NI Teil des Projekts Polizeischutz für die Demokratie ist. Sein Fazit: „Es war eine rundum gelungene Veranstaltung. Die Studierenden haben vieles mitgenommen und ihnen ist bewusstgeworden, warum das Thema Nationalsozialismus kein Thema ist, was uns nicht mehr berührt, sondern immer noch aktuell ist.“
Weiterführende Informationen zum Projekt Polizeischutz für die Demokratie finden Sie hier.
Artikel-Informationen
erstellt am:
24.05.2024
zuletzt aktualisiert am:
07.08.2024