Erstes Lehrbuch zur rechtsextremen Meme-Kultur für die Polizei erschienen

Die digitale Verbreitung rechtsextremer Inhalte stellt eine zunehmende Herausforderung für die Sicherheitsbehörden dar. Ein erstes Lehrbuch bietet nun praxisorientierte Ansätze zur Analyse und Prävention dieser modernen Propagandaform


Rechtsextreme Meme Polizeiakademie Lehrbuch Professor   Bildrechte: PA NI

Rechtsextreme Akteure nutzen Memes gezielt, um politische Ideologien in Alltagskulturen zu integrieren. Diese Memes transportieren rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Inhalte, oft getarnt als "harmlose Witze" in Form von Bild-Text-Kombinationen. Die Methoden reichen von der Verwendung von Nazisymbolen auf Partydrogen („Reichsadlerpillen“) über die Unterwanderung von Onlineplattformen für Videospiele mit NS-verherrlichenden Inhalten bis hin zur Umdeutung von Popkulturelementen. Besonders perfide sind zum Beispiel virale Umdichtungen bekannter Songs wie "L'Amour toujours" von Gigi D'Agostino, um die Grenzen des Sagbaren schrittweise zu verschieben. Vor allem in sozialen Medien erzielen diese Inhalte große Reichweiten und beeinflussen insbesondere junge Nutzerinnen und Nutzer.

Ein zentrales Problem besteht in der Vielschichtigkeit der Symbole und Anspielungen, die für Uneingeweihte oft harmlos wirken. Beispielsweise können sogenannte "Gedenkgrafiken" zu historischen Ereignissen oder nostalgische Figuren dazu dienen, die Erinnerungskultur subtil umzuinterpretieren. Ebenso werden gezielte Angriffe auf Einzelpersonen und Gruppen in humoristische Vergleiche verpackt. Was für Unbeteiligte belustigend erscheint, ist oft Teil einer gezielten Strategie zur digitalen Rekrutierung, Normalisierung von Hassbotschaften und Radikalisierung. Expertinnen und Experten warnen, dass diese Formen digitaler Agitation reale Auswirkungen haben können, indem sie extremistische Einstellungen verstärken und Gewaltbereitschaft fördern.

Das erste erschienene Lehrbuch "Rechtsextreme Meme. Eine praxisorientierte Einführung für die Ausbildung in Polizei und Sozialwissenschaften" wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen entwickelt. Es ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes "Meme, Ideen, Strategien rechtsextremistischer Internetkommunikation (MISRIK)". In diesem Projekt arbeiteten Forschende aus den Bereichen Philosophie, Kriminologie, Soziologie, Informatik, Ethnologie und Politikwissenschaft zusammen, um rechtsextreme Internetkommunikation zu entschlüsseln und mittels maschinellen Lernens automatisiert zu erfassen.

Einer der Autoren, Dr. Joachim Häfele, Professor an der Polizeiakademie Niedersachsen, betont die Bedeutung der wissenschaftlich fundierten Ausbildung in diesem Bereich: "Die Polizei als zentrale Instanz zum/beim Schutz der demokratischen Ordnung muss die Mechanismen digitaler Radikalisierung verstehen, um effektiv gegensteuern zu können." Das Lehrbuch bietet theoretische Grundlagen und praxisnahe Materialien für Lehrende und Studierende an. Dazu zählen PowerPoint-Präsentationen, ein digitales Lernspiel sowie eine Videoeinheit zur Prävention. Es ist auch als Open-Access-Version verfügbar und kann kostenlos auf der Verlagsseite heruntergeladen werden. Ergänzend dazu wurde in Zusammenarbeit mit der Amadeu Antonio Stiftung eine Broschüre zur rechtsextremen Meme-Kultur mit dem Titel "Kreative, ans Werk!" erstellt.

Weitere Einblicke in das Thema gibt ein Interview mit Prof. Dr. Georgios Terizakis, einem der Projektleiter, das bei Deutschlandradio abrufbar ist. Ein weiteres Interview mit Dr. Joachim Häfele und Dr. Vincent Knopp ist auf der Verlagsseite verfügbar.



Linkliste

Lehrbuch "Rechtsextreme Meme. Eine praxisorientierte Einführung für die Ausbildung in Polizei und Sozialwissenschaften"

Verbundprojekt „Meme, Ideen, Strategien rechtsextremistischer Internetkommunikation (MISRIK)“

Verlagsseite zum Lehrbuch

Gedächtnisspiel "Meme-Orientierung"

Lernvideo "Tatwaffe Meme"

Amadeu Antonio Stiftung

Broschüre zur rechtsextremen Memkultur

Interview im Deutschlandradio zu Rechtsextreme im Netz mit Prof. Dr. Georgios Terizakis

Interview mit Dr. Joachim Häfele und Dr. Vincent Knopp

Artikel-Informationen

erstellt am:
07.02.2025

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