Afghanistan-Kenner Dr. Reinhard Erös referiert in der Polizeiakademie in Nienburg

Auf Einladung der Polizeiakademie Niedersachsen hat Dr. Reinhard Erös am 10. März 2016 über das Thema „14 Jahre Einsatz am Hindukusch – Warum fliehen jetzt Hunderttausende nach Deutschland?“ referiert. Rund 180 Gäste folgten den Ausführungen des Afghanistan-Experten mit großem Interesse. Darunter nicht nur Polizeibeamtinnen, -beamte und -studierende, sondern auch geladene Gäste beispielsweise aus der lokalen Politik, der Wirtschaft, der Bundeswehr und der Kirche.

Der Direktor der Polizeiakademie, Dieter Buskohl, hieß die Anwesenden, insbesondere die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Stadt Nienburg und der Kirchengemeinden mit ihrer unermüdlichen Flüchtlingsunterstützung herzlich willkommen. Besonders hob er das unglaubliche Engagement des Ehepaares Erös in Afghanistan hervor: “Dr. Erös baut und betreibt in den ehemaligen Talibanhochburgen rund 30 Schulen für 60.000 Kinder. Hinzu kommen Computer- und Ausbildungszentren, Berufsschulen, Krankenstationen, Waisenhäuser und seit 2015 auch eine „Deutsch-Afghanische Friedensuniversität“ für Mädchen in der Provinz Lachman. Alles ohne staatliche Unterstützung. Alles ohne militärischen Schutz, aber alles in enger Absprache mit den Stammesältesten und sogenannten moderaten Taliban“, nennt Buskohl nur einige der herausragenden Besonderheiten aus der Lebensgeschichte des 65-jährigen ehemaligen Oberstarzt a. D., der zuletzt Kommando-Arzt bei den Bundeswehr-Spezialkräften war.


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Afghanistan-Experte Dr. Reinhard Erös

Erös gab einen Überblick über die Ursachen der Fluchtbewegung aus Afghanistan und welche realistischen Möglichkeiten der Bekämpfung dieser Ursachen existieren. In aller Deutlichkeit zeigte er auf, warum gerade jetzt Hunderttausende ihre Heimat verlassen – insbesondere junge Männer, wo doch die junge Regierung Afghanistans seit nunmehr 14 Jahren von ausländischen Polizei- und Bundeswehrkräften unterstützt und gestärkt wird.

Zu den Fluchtursachen in Afghanistan führt Erös aus, dass das Land heutzutage als „failed state“ („kaputter Staat“) gilt, in dem es keine Sicherheit gibt, die Korruption hoch ist, ein desolates Schulsystem existiert und keine vernünftige Form der Berufsausbildung vorhanden ist. Dies führt u.a. zu hoher Arbeitslosigkeit und vollständig fehlender Perspektive für Familiengründungen, was in der traditionell familienfreundlichen Bevölkerung ein besonders großes Problem für die jungen Menschen ist. In dieser Situation erklären viele Deutschland zu ihrem Ziel.

Aktuell stellen die Afghanen nach den Syrern die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe dar. Die Bevölkerung nutzt global verfügbare Informationsmedien wie Radio, Smartphone, Sat-TV etc. Die erhaltenen Informationen werden in der Regel nicht hinterfragt, sondern als „Wahrheit“ akzeptiert. Zu diesen Wahrheiten gehört, dass der deutsche Sozialstaat inklusive Rechtsstaatlichkeit mit einer Willkommenskultur funktioniert.

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An ausgestellten Erös-Büchern interessierte Zuhörer
Um die Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen, steht an erster Stelle die Aufgabe, ein funktionierendes Schulsystem aufzubauen, worin die Erös Stiftung „Kinderhilfe Afghanistan“ ihre Hauptaufgabe sieht. Die Arbeit der „Kinderhilfe“ zielt besonders auf die Bildung der Mädchen. Afghanische Mädchen, die das Abitur abgelegt haben, heiraten nachweislich später, haben weniger Kinder und erziehen zu Hause auch ihre männlichen Kinder in anderen Bildungskontexten. Ein wichtiger Grundsatz der Stiftung ist, dass ohne Abstimmung mit den Autoritäten vor Ort, auch Taliban, keine Schulen gebaut werden. Die Arbeit der Stiftung wird ausschließlich durch Vorträge, Spenden und Publikationen ermöglicht.

Während der gut zweistündigen Ausführungen war es in der Aula der Akademie mucksmäuschenstill, so interessant und lebendig verstand es Erös, die Zusammenhänge über den Zustand des leidgeprüften Landes darzustellen.

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Ehepaar Erös mit dem Afghanischen Flüchtling Mohammed, der sich seit November 2015 in Nienburg aufhält

Artikel-Informationen

erstellt am:
11.03.2016
zuletzt aktualisiert am:
21.04.2020

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