Gesunde Führung und gesunde Arbeitswelt in der Polizei Niedersachsen: Health oriented Leadership – Führungskräfte und ihre Teams stärken
PROF. A. D. PA DR. GERLIND PRACHT, PROJEKTLAUFZEIT: 2020-2024
Hintergrund und Forschungsbedarfe:
Führungskräfte sind häufig einer besonders hohen Belastung ausgesetzt (Kaluza, Boehr, Buengler & van Rick, 2019). Dabei gilt es die Vielzahl an Aufgaben zu bewältigen, die Verantwortung für folgenreiche Entscheidungen zu tragen, herausfordernde Interaktionen mit Mitarbeitenden zu meistern und dabei den Organisationszielen als auch den individuellen Belangen der Mitarbeitenden gerecht zu werden (Felfe, Pundt & Krick, 2017). Insbesondere im Kontext zunehmend flexibilisierter Arbeitswelten bringt die Führungsaufgabe eine Vielfalt an Herausforderungen mit sich (Staar, Gurt & Janneck, 2019). Den Führungskräften innerhalb der Polizei wird somit eine besondere Verantwortung übertragen, welche mit zahlreichen Stressoren in ihrem Führungsalltag einhergeht (Kastner, 2017¸ Santa Maria et al., 2019).
Unter der Berücksichtigung des maßgeblichen Einflusses, den Führungskräfte auf die psycho-physische Gesundheit, Motivation und Arbeitsleistung ihrer Mitarbeitenden haben (DGUV, 2014; Kaluza et al., 2019) wird deutlich, dass Gesundheit als Führungsaufgabe zu verstehen und somit als expliziter Bestandteil zeitgemäßer Führung unverzichtbar ist. Führungsverhalten kann darüber hinaus Wohlbefinden und psycho-physische Gesundheit der Führungskräfte selbst begünstigen oder auch reduzieren, wie die Metaanalyse von Kaluza et al. (2019) zeigt.
Auf den o.g. Erkenntnissen basiert die Arbeit im vorliegenden Forschungsprojekt. Es soll einen Transfer des empirisch belegten theoretischen Ansatzes Health Oriented Leadership (Pundt & Felfe, 2017) im Anwendungsfeld der Polizeiarbeit ermöglichen. Diesem Ansatz zufolge wirken Führungskräfte mit Blick auf die Mitarbeitergesundheit über vier verschiedene Wege:
1) über Kommunikation und Interaktion mit Mitarbeiter:innen (durch Führung),
2) über gesundheitliche Verfassung und Stressbelastung der Führungskraft,
3) durch das Gestalten von Arbeitsbedingungen, -plätzen und -abläufen und
4) über die Vorbildwirkung der Führungskraft und ihr Gesundheitsverhalten.
Ziel des Projekts:
Das Projekt zielt langfristig darauf ab, "Gesunde Führung" als Kulturelement und Aspekt des Gesundheitsmanagements in der Polizei Niedersachsen (weiter) zu entwickeln und zu implementieren. In diesem Sinne ist es ein Anliegen des Forschungsvorhabens, wirksame, in anderen Kontexten bereits evaluierte, Instrumente und Interventionen Gesunder Führung (Elprana, Frank & Felfe, 2016; Felfe et al., 2017; Franke & Felfe, 2011) für die Anwendung in der Polizei zu konzipieren, zu modifizieren, in einer ersten Pilotphase anzuwenden und auf ihre Effekte hin zu untersuchen. Dabei sind Schnittstellen zu inhaltlich vergleichbaren, bewährten Instrumenten aus Führungskräfteentwicklung, Gesundheitsförderung, Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Polizei Niedersachsen auszuloten, zu berücksichtigen und auf eine komplementäre Verzahnung hin zu überprüfen.
Das Anliegen des Projekts liegt somit im Fördern, Verbessern und (Weiter-)Entwickeln gesundheitsförderlicher Führung in der Polizei Niedersachsen, indem Führungskräfte gestärkt werden: einerseits mit Blick auf ihre eigene Self-Care (Stressmanagement und Umgang mit der eigenen Gesundheit) sowie andererseits in ihren Führungskompetenzen im Sinne gesunder Staff-Care (Mitarbeiter:innen-Führung). Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation dieses Vorhabens kann nicht nur eine bestehende Forschungslücke schließen, sondern einen wesentlichen Beitrag zur Führungskräfteentwicklung, Mitarbeiter:innengesundheit und Gesundheitskulturentwicklung in der Polizei Niedersachsen leisten.
Fragestellungen:
Es stellt sich die Frage, wie der HoL-Ansatz und dazu gehörende Interventionen für Führungskräfte der Polizei Niedersachsen und deren Teams gestaltet werden können, um ‚Gesunde Führung‘ gezielt zu fördern und auf diese Weise die psycho-physische Gesundheit von Führungskräften und ihren Mitarbeitenden innerhalb der Polizei langfristig zu verbessern.
Methode:
Im Sinne der o.g. Zielsetzung erfolgt die methodische Umsetzung auf drei Ebenen:
a) dem Entwickeln und Testen des HoL-Fragebogen-Instruments für die Polizei,
b) dem Durchführen von Pilot-HoL-Prozessen (bestehend aus Kickoff-Veranstaltung, 180-Grad-Online-Feedback-Befragung, Führungskräfte-Coaching, HoL-Workshops mit Führungskraft und Team) mit Führungskräften verschiedener Dienstzweige einer Polizeibehörde,
c) der Anpassung des Instruments und folgender Ausweitung wissenschaftlich evaluierter HoL-Prozesse in konkreten Einsatzfeldern
sowie mittel- bis langfristig
d) der Schaffung eines fest implementierten Angebots für HoL-Prozesse als Instrument der Führungskräfteentwicklung in der Polizei Niedersachsen.
Dabei sollen die bereits in der Polizei Niedersachsen implementierten Instrumente zur Gesundheitsförderung (GiP) und Führungskräfteentwicklung (VGE) sowie aus dem Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz berücksichtigt und einbezogen werden.
Damit eng verbunden wird die generelle Ausrichtung der Führungskräfteentwicklung sein, die im Zuge von "Führung im Wandel" für die Polizeiakademie Niedersachsen eine zunehmend größere Rolle spielt. Auch in diesem Kontext wird der anwendungsorientierte Bezug des Forschungsprojekts besonders deutlich.
Zunächst ist in der Pilotphase nach der Instrumentenentwicklung die sukzessive Durchführung von ca. 4-6 HoL-Prozessen mit Führungskräften aus verschiedenen Organisationsbereichen vorgesehen. Im Anschluss sollen eine Validierung der ersten HoL-Prozesse und eine Verfeinerung von HoL-Instrument und -Prozess stattfinden, gefolgt von einer Erweiterungs-Phase. In dieser Phase wird erfolgt das Durchführen weiterer HoL-Prozess mit Führungskräften und ihren Teams Bereich der Bereitschaftspolizei, wobei idealerweise verschiedene Führungsebenen zu berücksichtigen sind.
Die Anpassung des HoL-Instruments für die Arbeitsbereiche von ESD und KED sowie die Durchführung von HoL-Prozessen in diesem Bereich ist im nächsten Schritt vorgesehen und könnte in weiteren Forschungsprojekten für diese Einsatzfelder münden.
Laufzeit:
2020 – voraussichtlich 2024